Bedazzled Blottings. A Book Review by Andrew Whitehall

Um Harrington Hall wird es nie ruhig. Jetzt sind auch noch die legendären Blottings wieder aufgetaucht und graben recht ziellos, aber dafür umso charmanter in den Sümpfen des Forest of Bowland herum. Die große Balfour’sche Verschwörung decken sie zwar nicht auf, dafür einen Soft Spot in unseren Herzen. Mit jeder der 300 Seiten ein Stück weit mehr.

Die Blottings sind zurück. 1985 haben sie mit ihren bemerkenswerten Recherchen zur Aufklärung des sogenannten Massakers von Harrington Hall beigetragen, die wiederum zur überraschenden Festnahme der Wächter-Einheit “Broughton Group” führte und Robert Balfour vom angesehensten Mann im magischen Aufklärungsdienst zu einem paranoiden Verschwörungstheoretiker haben fallen lassen. 

Heute verfasst Balfour übrigens in schöner Regelmäßigkeit – nämlich einmal im Jahr zu Weihnachten – reißerische Warnungen vor der Regierung, die der zeitgleichen Bedrohung durch Whams! “Last Christmas“ in nichts mehr nachstehen. Vermutlich steht auch der nächste Teil des traurigen Niedergangs des Robert Balfours schon in den Startlöchern: Eine neue Enthüllung, neue geheime Beweise, die natürlich zur Sicherheit aller furchtbar geheim bleiben müssen. Sie kennen das…
Dass ausgerechnet Balfor damals der Mann war, der Imogen Bail nach den großen Clearings ins Amt gebracht hat – scheint er übrigens vergessen zu haben auf seinem Rachefeldzug gegen all jene, die seinen Stolz offenbar allzu empfindlich gekränkt haben. Aber zurück zu den Blottings. Für die interessiert sich zwar auch keiner mehr, aber die angekündigten Termine ihrer Leserundreise haben zumindest einen harmlos schönen Charme: Pittenweem Community Library am Sonntag, John O’Grotes Morningside Foster School House am Dienstag, Magic Lights Party im Nancy Blotting House in Port Vale – Vermutlich der Wintergarten ihrer eigenen Großmutter? Da treten sie sogar zweimal auf. 

Mit “Harrington’s Forgotten Names” veröffentlichen die Blottings nun die neue Massaker-Bibel. Wieder einmal geht es in aller Ausführlichkeit um die Ereignisse von 1980. Ergänzt um die Ereignisse von 1985 natürlich. 

Um die dramaturgische Notwendigkeit von neuen Highlights und Wendungen in der jetzt über acht Jahre alten und zehn Mal durchgekauten Geschichte wissen die Blottings. Aber auch, dass es genau dieser kleinen, kostbaren Zutat fehlt. 

Aber wir haben ja längst vom Besten gelernt, nämlich bei Robert Balfour und wissen, in Ermangelung von Relevanz bei gleichzeitigem Drang nach Aufmerksamkeit hilft nur eines – Die Spezialzutat. 

Eine mysteriöse Quelle. 

Neu ist allerdings, dass sie alt ist – diese fabulöse Quelle. Nämlich von 1985. 

Angeblich sind den Blottings damals – quasi unter dem Türspalt hindurch – all jene Unterlagen anonym zugespielt worden, die Balfours “Broughton Group” mit der nebulösen Terrorgruppe “die Tafelrunde” in Zusammenhang gebracht und wenige Stunden später zur Verhaftung der gesamten Ermittlergruppe geführt haben. Die letzten von Balfours Leuten sind übrigens erst ein Jahr später wieder aus der Untersuchungshaft gekommen. Die Blottings finden auf ihren 300 Seiten natürlich auch Platz für Gedanken der einstigen Ermittler – die sie ja immerhin für lange Zeit ins Bridgewater gebracht haben. Fast rührend finden sie alle auf Seite 157 in einem alten Wächterpub wieder zusammen. Zurück bei ihren Wurzeln. Die Blottings verwenden viel Zeit und viele Worte auf den Moment ihrer formellen Entschuldigung gegenüber den ehemaligen und heute stark gezeichneten Ermittler*innen Riley Walsh, Evie Lloyd und der peinlich berührten Ruth Chapman, die selbst gesteht, heute immer noch keine Ruhe finden zu können. Und sich immer noch nicht traut mit ihrer Familie über all das zu sprechen, was wirklich geschehen ist. „Vermutlich werde ich das nie können. Trotzdem hoffe ich, dass sie mich und uns alle nie aufgeben.” Schwere Worte. Wenige Sätze vor einem knapp einseitigen Exkurs über Cylon-Tee und Shortbread. Alle Ex-Broughton Groupler hoffen drei Seiten später noch einmal inständig, dass ihre Arbeit weitergeführt wird. Wie jetzt eben durch die Blottings, denen sie sehnsüchtig nachwinken, bei ihrem liebenswerten, literarischen Ritt durch Nordenglands Provinz. Im Hintergrund spielt Cliff Richard ‘Mistletoe and Wine’. 

Aber zurück zur neuen alten Wendung, der im bitteren Ernst und sehr gewollt, aber nicht sehr gekonnt verfassten 300 Seiten. Diese Quelle, in alter Balfour-Manier nur behauptet und nicht bewiesen, bleibt natürlich das Kernstück des Buches. Die Blottings inszenieren stolz ihren Mut, sich mit dieser lange verborgenen Wahrheit endlich an die Öffentlichkeit zu trauen. 

Wirklich überraschend ist – um ehrlich zu sein – aber eigentlich nur die Tatsache, dass sie überhaupt an die Öffentlichkeit gekommen sind. Wer das Buch finanziert hat – das ist hier vielleicht das wahre Mysterium. 

Der knapp einseitige Kern des Buches (aufgerundet) wird aufgefüllt mit weiteren 299 Seiten drumherum. Angereichert mit einer Handvoll kauziger Forest-Bewohner*innen, die zwar wenig thematischen Mehrwert beisteuern, aber für den dringend notwendigen Comic Relief sorgen. 

Sie sind die wahren Protagonisten der Geschichte. Ihre Namen werden zwar auch vergessen, aber vermutlich ist ihnen das genauso egal, wie der raue Winterwind hier draußen während der Tage der Ankunft. 

Und plötzlich nimmt das Buch seine ganz eigentümliche Fahrt auf: 

Garniert mit einer Prise Kindheitserinnerungen zu dunklen Messen oben auf dem Clougha Pike – wo  Menschen in Ritterroben und dunklen Kapuzen in Ekstase um den alten Torbogen des Steinkreises tanzen. 

Dazu ein Esslöffel Spekulation von Wildhüter Sam W., dass die Sowjets in der ganzen Angelegenheit ja auch schon ewig mit drin hängen. Angeblich bringen sie jeden Mittwoch nach dem Pubquiz Informationen am Eisernen Vorhang vorbei durch einen magischen Tunnel auf die andere Seite. Die Blottings besuchen ganze vier Mal das Quiz im Jack O’Lantern. Sie finden aber weder einen russischen Boten noch einen Fußgängertunnel rüber nach Minsk. In der Realität endet der Tunnel nach ganzen zehn Metern im Partykeller.

Piper P. will übrigens noch wissen, dass es bei den Experimenten dort oben auch Überlebende gab, die sie über den Tunnel vermutlich direkt in die Sowjetunion gebracht haben. Roger M.M. winkt leider schnell ab, der Tunnel würde ja nur von Wachturm zu Wachturm im Forest führen. Na, da oben, wo der alte Pete seine Farm hatte. Die Blottings nicken aufmerksam und füllen ihre kleine Notizblöcke. 

Ja. Harrington’s Forgotten Names hat seine Momente voller Magie. Es hat auch mich verzaubert. Es ist fast eine Milieustudie der Menschen im Forest mit ihren liebenswerten Eigenheiten und großen dunklen Geschichten. Dass das Buch inmitten der Tage der Ankunft erscheint und die Blottings auch Harringtons Community Center im Tourplan haben, ist immerhin stilecht. Genau wie der Ernst, mit dem beide Blottings sympathisch und fast liebenswert an die Bedeutung ihres Werkes glauben. Und ich kann gar nicht mehr anders, als zu den Tagen der Ankunft auch hochzufahren in den Forest. Ich will die Dunkelheit spüren, den leichten Grusel. Und mit der ominösen Frau im gepunkteten Kleid sprechen. Die sich schön gemacht hat, für die drei grimmigen Farmer beim Bingoabend und nach dem dritten Bier angeblich über all das spricht, was sie im September 1980 dort oben in Harrington Hall erlebt hat.

Sie hat sich auf meine Anzeige hin gemeldet. Der Zauber der Blottings hat mich  so fest zu packen, dass auch ich langsam glauben will, vielleicht sind wir alle an etwas Großem dran. Wenn Robert Balfour uns diese Weihnachten also im Stich lässt, auf George Michael und mich ist dafür Verlass. 

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