Harrington District 1 – by Edith Bloom
Es bahnt sich die ganz große Sensation an: Die Spatzen haben es schon länger von den Dächern gepfiffen, nun kann der Daily Observer aber exklusiv bestätigen: Ja, Tristania Lancaster ist zurück!
Um die polarisierende Duchess of Lancaster war es in den vergangenen Monaten etwas ruhiger geworden, offiziell wollte sie sich der Erziehung ihres kleinen Kindes widmen. Nicht wenige sahen sogar schon das Ende ihrer Partei, der Freedom Front, gekommen, die scheinbar führerlos einiges an Biss verloren hat.
Doch nun scheint es, als hätte die Duchess in der Zwischenzeit nur ihre Kräfte für den nächsten großen Coup gesammelt. Wie bereits berichtet, kam es im Dezember letzten Jahres zum großen Knall an der Broughton Academy, als die Anwärterschaft einige Mitglieder der Alumnivereinigung “Board of Broughtons” in Frage stellte. Der Machtkampf endete mit dem Rücktritt einiger einflussreicher – und gut betuchter – Mitglieder des Boards, darunter Oswald Nigellus und Frederick Winterbottom.
Das hatte zur Folge, dass der Akademie seither einiges an Geldern fehlt. Von zugigen Fenstern und tropfenden Wasserhähnen war die Rede und das eben erst ins Leben gerufene Sportprogramm rund um die Rugbymannschaft der Harrington Harriers schien schon wieder beendet, bevor der erste Ball geworfen wurde.
Im Zentrum des Unmuts stand damals die konservative Grundhaltung einiger Boardmitglieder, namentlich Nigellus und Winterbottom, die wie der Rest des Boards aus Gründerfamilien stammen und nach Meinung der Anwärterschaft nicht mehr repräsentativ für die aktuelle Zusammensetzung der Anwärter*innen stehen können. So besuchen immer mehr Exceptioner die Akademie, ein Fakt, der sich aber nicht im Board widerspiegelt.
Im Nachgang nach dem großen Clash wurde vonseiten der Akademie einiges versucht, um die fehlenden Plätze – und damit auch die fehlenden Gelder – anderweitig zu besetzen. Und seit einigen Wochen ist Bewegung in den Prozess gekommen. So kam es zu einem Schulterschluss zwischen den beiden nicht minder konservativen Morpheus Kaldewey und dem Earl of Rubin, beide ebenfalls aus Gründerfamilien stammend, die kürzlich bekannt gaben, sich sowohl im Rugbyteam finanziell engagieren zu wollen, als auch zur Wahl ins Board anzutreten.
Neben verschiedenen Reparaturen, die an den Gebäuden der Broughton Academy seither durchgeführt wurden, machen sich die Auswirkungen dieses Engagements vor allem im Rugbyteam schon jetzt bemerkbar. Ob eine Pauline of Rubin, Tochter des Earls, auch ohne das finanzielle Engagement ihres Vaters in der Startaufstellung der Harrington Harriers stehen würde, darf wohl bezweifelt werden, verfügt sie doch über keinerlei Vorerfahrungen in dieser Sportart.
Doch nun steht eine weitere Sensation ins Haus: Tristania Lancaster-Devereaux-Montmorency hat angekündigt, ebenfalls einen Platz im Board of Broughtons anzustreben und sich für die Wahl, die in der ersten Maiwoche 1988 angesetzt ist, aufstellen zu lassen.
Da sie eine Ausbildung zur Wächterin an der Broughton Academy begonnen und mindestens ein Jahr erfolgreich absolviert hat (bevor sie aufgrund ihrer Schwangerschaft die Akademie verließ), erfüllt sie die Voraussetzung für eine Mitgliedschaft. “Das Board dient der Repräsentation der Gesellschaft und als solche muss es alle Teile abbilden. Das ist momentan nicht der Fall. Es wird Zeit, dass neue Leute Verantwortung übernehmen und auch diejenigen repräsentiert werden, die bisher hintenüber gefallen sind”, erklärt Mrs. Lancaster gegenüber dem Daily Observer. Obwohl die Duchess selbst aus einer Gründerfamilie stammt, repräsentiere sie diese “andere Seite”, allein durch den Vorsitz in ihrer Partei Freedom Front, die sich lautstark für die Rechte der Minderheiten einsetzte, so die Duchess.
Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Mrs. Lancaster einen Anlauf unternimmt, um ins Board zu kommen: Vor einiger Zeit wollte die Freedom Front der Broughton Academy bereits neue Schulbücher stiften, was aber auf so starken Widerstand des Boards stieß, dass dieser Versuch gestoppt wurde. “Mir ist klar, dass ich immer kritisch beäugt werde, dass ich immer Gegner*innen im konservativen Lager haben werde. Aber das stört mich nicht!”, gibt sie sich kämpferisch.
Nun könnte ihre Zeit gekommen sein, denn es bahnt sich ein geradezu spektakuläres Triumvirat an, das genug finanzielle Schlagkraft mitbringt, um das Board künftig zu dominieren. Nicht nur, dass Mrs. Lancaster, der Earl of Rubin und Mr. Kaldewey den gleichen Hintergrund haben – konservative, reiche Gründerfamilien – nein, es bestehen auch verwandtschaftliche Verhältnisse zwischen dem Earl und der Duchess und zumindest so etwas wie gegenseitiger Respekt. “Man kann von ihr halten, was man will, aber sie möchte der Broughton Academy und dem Rugbyteam Gutes tun. Die nötigen finanziellen Mittel dazu hat sie, und sie hat in der Vergangenheit auch bereits gezeigt, dass sie spendabel sein kann”, äußert sich der Earl zurückhaltend. Auch Morpheus Kaldewey schlägt diplomatische Töne an: “Ich persönlich halte von der Freedom Front gar nichts, aber ich sehe schon, dass die Duchess in den vergangenen Monaten gemäßigter geworden ist. Allein dass sie darauf verzichtet, erneut zu Protesten gegen den Summer Rose Cup in Ascot aufzurufen und einer Einladung der Rennleitung zu einem Besuch folgen will, werte ich als positives Signal.”
Die Bereitschaft zum Konsens wird ihr allerdings nicht von allen Seiten abgenommen. Oswald Nigellus fand für die Duchess deutliche Worte: “Sie ist eine Schande für ihre Familie. Und die Broughton Academy wird schon noch sehen, was sie davon hat, wenn sie sich ihr nun finanziell ausliefert. Selbst Schuld, sage ich da nur!” Auch Frederick Winterbottom ist wenig begeistert von den Plänen: “Früher hätte es so etwas nicht gegeben. Das Board hat immer auf einen entsprechenden Hintergrund seiner Mitglieder geachtet. Dass nun alle Traditionen und Werte über Bord geworfen werden, ist ein Skandal!”
Kenneth Peacock, Leiter der Broughton Academy, wollte sich zu dem Thema nicht näher äußern. Wie man hört, ist Tristania Lancaster damals aber nicht im Guten von der Akademie gegangen. Wird sie ins Board gewählt, hat sie künftig großen Einfluss auf die Geschicke der Schule, allein in finanzieller Hinsicht. Aber auch bei Personalentscheidungen hat das Board ein Wörtchen mitzureden. Es bleibt also abzuwarten, ob der Move der Anwärter*innen, für eine Neubesetzung zu sorgen, nun wie ein Bumerang zurückkommt und sie mitten ins Gesicht trifft.
Bereits am kommenden Samstag kann man einen ersten Eindruck davon gewinnen, wie die Stimmung von den Anwärter*innen gegenüber Tristania Lancaster ist. Die Duchess bestätigte, dass sie auf Einladung der Rennleitung Ascot besuchen wird. Auch die Broughton Academy wird durch das Team der Harrington Harriers in Ascot vertreten sein. Es bleibt spannend, wie ein mögliches Aufeinandertreffen ausgehen wird.