One on One: The Personal View with Virginia Priestley

Im Rahmen der Berichterstattung über den Merseyside-Anschlag veröffentlicht der Daily Observer in den kommenden Tagen einige Interviews mit ausgewählten Personen, um neben den politischen Aspekten auch die Auswirkungen auf die Gesellschaft zu verdeutlichen. Jedes dieser Interviews wird von einem prominenten Paten bzw. einer prominenten Patin präsentiert, die ein paar persönliche Worte dazu geäußert hat.

Als erste Interviewpartnerin präsentiert der Daily Observer Virginia Priestley, deren Mutter Sophie bei dem Anschlag starb. Sophie Priestley ist eine von mehreren Wächter*innen, die bei dem Anschlag ihr Leben lassen mussten.

Als Pate haben wir Kenneth Peacock gewonnen, den Leiter der Broughton Academy, an der Virginia Priestley aktuell eine Ausbildung zur Wächterin absolviert, um damit die Familientradition fortzuführen. Mr. Peacock lobte die Aussagen seiner Anwärterin, die auf eine Gesellschaft setzt, die auf starken Werten basiert, um künftige Ereignisse wie den Anschlag zu verhindern. “Eine Gesellschaft, die auf starke Werte als verbindendes Element setzt, ist vor extremistischen Strömungen generell besser geschützt. Wir haben in der Vergangenheit leider schon häufiger beobachten können, was passiert, wenn sich extreme Meinungen durchsetzen. Dies geschieht immer dann, wenn die Gesellschaft ihre verbindenden Elemente ignoriert und stattdessen Menschen ausgegrenzt werden. Das hat Ms. Priestley in ihrem Interview sehr schön zum Ausdruck gebracht.” 

Mr. Peacock, der aktuell vollends mit seiner Arbeit an Broughton Academy beschäftigt ist, freut sich immer, wenn seine Anwärter*innen neben der Arbeit an der Akademie auch andere Aufgaben wahrnehmen: “Wir als Akademie waren an den Gedenkveranstaltungen rund um den Anschlag stark involviert: Wir hatten zum Beispiel auch Teilnehmer*innen bei dem speziellen Workshop dabei, zudem sind wir natürlich sehr stolz darauf, dass unser Rugbyteam, die Harrington Harriers, Gegner von Merseyside zum Jubiläumsspiel waren. Wir fühlen uns mit Merseyside Athletic stark verbunden und kämpfen gemeinsam dafür, dass sich etwas wie damals nie wiederholen wird!”

 

Ms. Priestley, haben Sie persönliche Verbindungen zum Merseyside-Anschlag?

Ja. Ich war fast vierzehn, als ich bei dem Anschlag verletzt wurde, um dann im Krankenhaus zu erfahren, dass ich meine Mutter nie mehr wiedersehen würde. Und natürlich habe ich über die Jahre andere Menschen kennengelernt, die an diesem Tag furchtbare Verluste erlitten haben.

Hat der Anschlag Ihr Leben beeinflusst? Wenn ja, wie?

Natürlich hat er das. Unser gesamtes Zusammenleben als Familie hat sich durch den Tod meiner Mutter verändert. Ich werde niemals vergessen, wie der Schock, die Trauer und die Fassungslosigkeit sich wie eine Wolke über jeden einzelnen Tag gelegt haben.

Für viele unverständlich ist damals auch jede Begeisterung am Rugbysport für mich gestorben. Aber die Erinnerung an die Ereignisse hat mich in meinem Bestreben, Wächterin zu werden, aufs Äußerste bestärkt.

Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass sich eine solche Tat heute in der aktuellen politischen Situation wiederholen könnte?

Ich denke, dass viel weniger die Politik der tatsächliche Ursprung solcher Taten ist, als vielmehr menschliche Abgründe. Meiner Meinung nach ist die Beschreibung des Anschlags als „politisch motiviert“ zwar vielleicht zutreffend, aber dennoch auch eine Verschleierung der Tatsache, dass jede:r einzelne der Täter:innen als Mensch bewusst die Entscheidung getroffen hat, ein Blutbad anzurichten und wahllos zu morden. Solange es Menschen gibt, die zu solchen Entscheidungen in der Lage sind, sehe ich die Gefahr eines erneuten, ähnlichen Ereignisses damals wie heute als unverändert.

Was müsste sich in der Gesellschaft verändern, damit so etwas nicht wieder geschehen könnte?

Da ich es, wie bereits gesagt, nicht in erster Linie für ein politisches – sondern ein menschliches Problem halte, habe ich darauf keine leichte Antwort.

Ich denke, wenn Werte wie Aufrichtigkeit, Respekt, Ehre und vor allem Menschlichkeit wirklich und wahrhaftig von jedem einzelnen Mitglied unserer Gesellschaft empfunden und gelebt werden würden, wäre ein großer Schritt in Richtung eines „Nie wieder“ getan. Das Fehlen solcher menschlicher Grundwerte kann auch die beste Politik nicht ausgleichen.

Es hat kürzlich einen speziellen Workshop gegeben, in dem Angehörige von Opfern, Ermittler und Täter zusammengebracht wurden. Könnten Sie sich vorstellen, an einem solchen Workshop teilzunehmen?

Prinzipiell könnte ich mir eine Teilnahme vorstellen. Schon allein weil ich seit der Veröffentlichung der damaligen Ermittlungen weiß, dass, sollte sich mir die Gelegenheit bieten, den Täter:innen nur ein einziges Mal in die Augen zu blicken, ich diese nutzen will.

Der Workshop lief unter dem Motto „Strafe, Vergebung, Sühne“. Wo würden Sie sich hier positionieren? Könnten Sie den Täter/innen vergeben?

Strafe und Sühne sind für mich die beiden Dinge, um die ich mir im Zusammenhang mit dem Verbrechen seither stets die größten Gedanken gemacht habe. Vornehmlich um die Frage, welche Strafe für solche Taten hart genug ist und ob es so etwas wie Sühne in diesem Fall überhaupt geben kann.

Von Vergebung bin ich jedoch weiter entfernt, als ich mir vorstellen kann, in meinem Leben jemals zu gehen.

Sind die Urteile für die Täter/innen in Ihren Augen hart genug? Wie hätten Sie selbst geurteilt?

Ich vermute, dass die Urteile jede*n Täter*in unterschiedlich hart treffen, daher kann ich dazu keine allgemeingültige Aussage machen. Meiner Ansicht nach jedoch war das Urteil der Todesstrafe gnädiger als die lebenslängliche Haft, die über den kleineren Teil der Täter:innen verhängt wurde. Müsste ich in den damaligen Prozessen meine Stimme abgeben, würde ich mich definitiv für Letzteres entscheiden.  

Vielen Dank für das Gespräch!

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