Der Rugby verkommt immer mehr zur Spielwiese der Superreichen. Nachdem der Verband zu Beginn der Saison in einem viel diskutierten Schritt erstmals das Namensrecht an der Liga an den Besenorstenhersteller Brooms’n’Joy verkauft – Kritiker sprechen von “verscherbelt” – hat, geht der Ausverkauf nun offenbar weiter.
Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, hat der russische Milliardär Boris Blinow Interesse daran, sich einen der Rugby-Clubs zu kaufen. Ins Auge gefasst hat er demnach zwei Vereine, die in der Nähe seiner englischen Wahlheimat Brighton liegen: die Southampton Rovers und Victoria on Sea.
Den Verantwortlichen der Southampton Rovers um Präsident Ross Dermott soll das Interesse dem Vernehmen nach sehr gelegen kommen. Der Verein hat sich in den letzten Jahren einen zweifelhaften Ruf durch eine überharte Spielweise und regelmäßig auftretende Gerüchte um Manipulationen erarbeitet, auch wenn ihnen Letzteres bislang noch nie nachgewiesen werden konnte. Da dürfte es den Funktionären gerade Recht kommen, wenn ausländische Investor*innen mit dem großen Geld locken.
Bei Victoria on Sea sieht die Lage dagegen etwas anders aus. Präsident Edmund Little-Wittenham erklärte auf Nachfrage: “Wir werden das nicht zulassen und uns mit Händen und Füßen gegen diese feindliche Übernahme wehren! Solange ich hier etwas zu sagen habe, wird es nicht zu einem Ausverkauf unserer Traditionen kommen! Nur über meine Leiche!”
Die Fans beider Clubs sehen das ähnlich und sind bereits in Aktion getreten. So hat das Bündnis Aktiver Rugbyfans (BARuFa) bereits umfassende Protestaktionen angekündigt. Auch die Fans befürchten einen Ausverkauf der Traditionen für das schnelle Geld.
Die Beispiele für dieses Vorgehen aus dem Ausland sind zahlreich: So hat der Limonadenhersteller Flying Cows vor einigen Jahren in einen unbedeutenden Schweizer Provinzclub investiert. Mittlerweile spielt der Verein unter dem Namen Biel Beelzebubs im Europapokal und Konzerneigentümer Emil Huttenlocher ist gleichzeitig auch allmächtiger Präsident des Clubs.
Auch Blinow selbst hat Erfahrungen mit Investitionen in Sportvereine: In Blinows Heimat Russland sind die meisten Profivereine in Privatbesitz. So auch der diesjährige Europapokalteilnehmer Lokomotive Leningrad, dessen Besitzerin Laika Lasarewa Blinows zweite Ehefrau war. Wie es damals hieß, war der Verein ein Geschenk Blinows zu ihrem ersten Hochzeitstag. Zwar sind die beiden mittlerweile bereits lange wieder geschieden, der Verein befindet sich aber immer noch in Lasarewas Besitz.
Und auch in Italien gibt es zunehmend das Phänomen, dass sich die Liga dem Einfluss einzelner Investoren oder gar Spieler unterordnet: So sorgte Kicker and Passer David Masekela vor zwei Jahren dafür, dass sein damaliger Verein Rapid Rom die Teamfarben an seine Wünsche anpasste.
Der Präsident der britischen Rugbyverbands Cormac Ó Cinnéide sieht dagegen keine Gefahr des Ausverkaufs: “Um mit den anderen europäischen Topligen mithalten zu können, ist es nötig, dass wir neue Einnahmequellen generieren und uns diesen Möglichkeiten nicht verschließen. Wir haben sowohl letztes Jahr bei der Weltmeisterschaft als auch dieses Jahr im Europapokal mit Magic Carmarthen gesehen, dass wir – trotz aller Tradition – den Anschluss verlieren. Investitionen sind also notwendig. Insofern begrüßen wir diese Angebote, solange die Interessenten ein ehrliches Interesse an Rugby aufweisen.“
Wie genau Ó Cinnéide ein “ehrliches Interesse” definiert, ließ er allerdings offen.